Das Motiv des Prometheus als des Begründers menschlicher Technik zieht sich durch die Kulturgeschichte. Prometheus brachte in der Sage den Menschen das Feuer und wurde dafür bestraft. Mit Hilfe des Feuers konnte der Mensch seine auch technische Entwicklung nehmen und das Übel, das im Zuge der prometheischen Tat durch die Büchse der Pandora auf die Welt gekommen war, bekämpfen. Die den Menschen durch die Götter zuletzt doch zugestandene Hoffnung mildert zudem alles ab. Nur die Hoffnung nach Unsterblichkeit bleibt wohl (zumindest aus heute absehbarer Sicht) unerreichbar.
Das Motiv des Prometheus dient einerseits als Motiv des Fortschritts, wird dann aber immer wieder auch im Rahmen der Technik- und damit Kulturkritik herangezogen. Welche Anforderungen stellt aber eine Entwicklung der Technik, die fortschreitende Technisierung an die Menschheit?
Ohne Technik wäre unsere Kultur nicht vorstellbar. Technisches Tun steht dabei stets im kulturellen Kontext. Der griechische Begriff der technȇ steht für Kunst und Kultur, Wissenschaft und Technik gleichermaßen.
Innerhalb der Philosophie wird die Technik als über- bzw. interdisziplinärer Reflexionsbegriff gefasst für die Betrachtung des einzelnen Artefakts, zu allgemeinen Fragen, wie der Funktionsweise, bis hin zur Bedeutung für den Menschen und die Beziehungen der Menschheit zur Technik. Die ursprüngliche Bedeutung der Technik zum Nutzen des bloßen Überlebens ist in unserer auch technisch globalisierten Welt in weiten Teilen überholt.
Die Beurteilung der Chancen und Risiken ist dann die entscheidende Frage. Weder eine pessimistische Ablehnung jeder neuen Entwicklung, noch eine unreflektierte Fortschrittsgläubigkeit sind dabei zielführend. Es stellen sich die Fragen nach dem Können und Sollen, nach dem Dürfen und Wollen. Gefordert ist eine philosophische (und gesellschaftlich-politische) Auseinandersetzung mit normativen Strukturen technischen Handelns und die Erarbeitung und Fortentwicklung eines theoretischen Fundaments, das uns Leitlinien zum Umgang mit Technik liefert.
Wie bereits gesagt, bloße Fortschrittsgläubigkeit liefert keine Lösungen, genauso wenig, wie die pauschale Verurteilung jeden Fortschritts und der Technik als Schlechtes per se. Wir müssen uns stets aufs Neue mit ethischen, normativen, gesellschaftlichen und ökologischen Themen auseinandersetzen. Global steigender Wohlstand, steigender Zugang zu Bildung, abnehmende Säuglingssterblichkeit, die weltweite Zunahme an Gesundheit, zuverlässige Energieversorgung oder allgemeine Erleichterungen im täglichen Leben sind als eindeutig positive Folgen auch zunehmender Technisierung zu nennen. Jeder Mensch hofft auf steigenden Wohlstand, auf bessere Gesundheit, ein langes Leben, auf Sicherheit und die Abnahme von Mühsal.
Dass diese Versprechen dagegen in weiten Teilen der Welt heute noch immer nicht möglich sind, hat unter anderem mit den globalen Auswüchsen auch der Technik zu tun. Um unsere Maschinen am Laufen zu halten, werden ganze Landstriche verwüstet oder vergiftet, die Meere verseucht, die Luft verpestet und Menschen willentlich und wissentlich geopfert. Und dazu muss man nicht unbedingt nur in sog. Entwicklungsländer schauen – auch in der BRD gilt beispielweise nach wie vor kein allgemeines Tempolimit auf Autobahnen. Ein solches würde erwiesenermaßen zu weniger Unfalltoten, weniger Lärm und weniger Umweltverschmutzung (und daraus resultierender Erkrankungen) beitragen. Es werden aber – wissentlich und willentlich – jedes Jahr tausende Menschenleben der Dynamik und Geschwindigkeit der Maschinen im wirtschaftlich angeblich notwendigen Kontext geopfert, dem vermeintlichen Recht des Einzelnen auf individuell schnellstmögliche Überbrückung räumlicher Entfernungen.
Wie kann eine gesamtgesellschaftliche Diskussion dann aussehen? Einerseits muss jedes Individuum Handlungsfolgen abschätzen, sich moralisch-ethische Aspekte bewusst machen. Andererseits ist die Politik gefordert, den auch rechtlichen Rahmen (Gesetze, Verordnungen, Grenzwerte, usw.) zu definieren, in welchem sich die Individuen und die Gesellschaft als Ganzes bewegen.
Und die Möglichkeiten der Bildung und der Informationsbeschaffung sind ebenso maßgebend, z.B. Kaufentscheidungen betreffend. Viele Unternehmen schreiben sich bereits heute den Versuch nachhaltiger Produktion auf die Fahnen. Das geht jedoch einerseits nicht ohne das Zutun und aktive Kaufentscheidungen der Verbraucher. Andererseits sollen die Themen verfehlter ethischer Standards, des „Lobbyismus“ sowie des „Greenwashings“, also der marketingtechnischen Verschleierung letztlich doch nicht nachhaltig ökologischer Produktion, hier nicht weiter vertieft werden. (Jedoch: Alleine die Vorgänge um die Betrugssoftware bei VW, die Schmiergeldaffäre von Siemens, die Bordellaffäre der ERGO oder die Vorgänge um illegale Geschäfte deutscher Waffenschmieden rechtfertigen detaillierte, auch ethische Untersuchungen.)
Um zum Ausgangspunkt zurückzukommen: Technik ist aus unserer Kultur nicht mehr wegzudenken. Fortschritt besteht auch in der Zunahme an Wohlstand, im Zuwachs an Können und Wissen und damit verbunden im besten Falle im Zuwachs an Freiheit und Gerechtigkeit.
Allerdings: Nicht das Machbare, sondern das gesellschaftlich Wünschenswerte, zukünftige Generationen mitbedenkend, sollte den Fortschritt vorgeben.
Abschließend zurück zu Prometheus: Der Philosoph Günter Anders hat das Motiv des Prometheus in seinen Schriften im Rahmen der „prometheischen Scham“ verarbeitet. Der Mensch fühlt sich demnach den technischen Artefakten unterlegen, er schämt sich seiner antiquierten Herkunft und Sterblichkeit. Zugleich unterliegt der Mensch einem Gefühl der eigenen Verdinglichung, er verachtet sich in dem Maße, in dem ihn die Maschinen ob seiner Unterlegenheit verachteten, könnten sie denn denken.
Jetzt ist Anders aus seiner Zeit heraus zu verstehen und er legt einen wahrlich unstillbaren Pessimismus an den Tag. Nichtsdestoweniger schreibt der den schönen Satz: „Und wer ihre Realität [die der Scham, Anm. d. Verf.] bestreitet, der tut es, weil zuzugeben, daß wir es so herrlich weit gebracht haben, uns vor Dingen zu schämen, ihm die Schamesröte ins Gesicht triebe.“ (Anders 1956, S. 95)
Damit stellt sich folgende exemplarische Frage: Wenn ich nun also den technischen Fortschritt nutze, wenn ich nun also mein Gehirn entlaste und eine unfassbare Menge an Informationen, Fakten, an Tatsachen und Wissen in (oder an!) mein Smartphone auslagere: Schäme ich mich dann vor diesem ob meiner eigenen beschränkten Kapazitäten, also meiner Unterlegenheit?
Zum Weiterlesen:
Günter Anders: Die Antiquiertheit des Menschen. Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution. München 1956
Klaus Kornwachs: Philosophie der Technik. München 2013
Alfred Nordmann: Technikphilosophie. Hamburg 2008
Günter Ropohl: Ethik und Technikbewertung. Frankfurt a.M. 1996
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