Der fußballspielende senegalesische Ministrant.

Der Generalsekretär der bayerischen Regionalpartei „CSU“ hat in einem Interview Aussagen von sich gegeben, die im Kern folgenden Inhalt hatten: „Das Schlimmste ist ein fußballspielender, ministrierender Senegalese, der über drei Jahre da ist. Weil den wirst du nie wieder abschieben.“ Zur Verteidigung führt Scheuer an, er habe den Satz mit „Entschuldigen´s die Sprache“ und dem Thema der „Wirtschaftsflüchtlinge, für die das Asylrecht nicht gemacht sei“ eingeleitet bzw. begründet. (vgl. u.a. Süddeutsche Zeitung Online vom 20.09.2016, http://www.sueddeutsche.de/bayern/fluechtlingsdebatte-scheuer-wehrt-sich-gegen-kritik-an-abfaelliger-senegalesen-aeusserung-1.3170388 , letzter Zugriff am 21.09.2016, 09:10 Uhr)

Vorab: Nein, Herr Scheuer, die Sprache entschuldigen wir nicht. Wenn man die Erfüllung seines Berufslebens sucht in der Mobilisierung der Menschen (= in der Denke von Herrn Scheuer: der Wähler) ohne Hirn, Verstand, Herz und Mitgefühl, sollte man ehrlicherweise dann auch konsequent dazu stehen.

Schauen wir uns die Aussage per se doch erstens genauer an und untersuchen dann die Reaktionen auf diese Aussagen.

Zur Entgegnung:

  1. Der Senegal als ehemals französische Kolonie wird als sog. „Sicheres Herkunftsland“ gewertet. Somit genießen Menschen aus dem Senegal keinen durch das Grundgesetz gedeckten Schutz aufgrund bspw. politischer Verfolgung. So weit so richtig, zu bedenken gebe ich jedoch einmal, dass die Wertung von Ländern als „Sichere Herkunftsstaaten“ oftmals weniger von der tatsächlichen Situation vor Ort, sondern von politischen Verhandlungen abhängt. So bestehen aktuell die Bestrebungen in der deutschen Politik, mehr Staaten als bisher als sichere Herkunftsländer zu deklarieren. Dabei geht es nicht um die Schutzwürdigkeit eventuell Verfolgter, sondern rein um die Verminderung von Flüchtlingszahlen, die durch das Grundgesetz schützenswert sind. So soll zudem leichter abgeschoben werden können. Verlogen? Aber sicher. Menschenverachtend? Selbstverständlich.
  2. Zudem herrscht zumindest in Teilen Senegals sehr wohl ein Bürgerkrieg durch Rebellen, die sich abspalten wollen; und außerdem ist die Pressefreiheit (als wiederum eine durch unser Grundgesetz gedeckte Freiheit) im Senegal nicht gewährleistet. Wie gesagt: Die Einstufung als „Sicheres Herkunftsland“ scheint willkürlich.
  3. Auf die wirtschaftliche Situation gehe ich nur am Rande ein: Im Human Development Index belegt der Senegal den 170. Platz (Deutschland: Platz 6), das Land ist abhängig von Krediten und Entwicklungshilfe, was – in Verbindung mit Strafzöllen für Waren aus Afrika und dem Exportüberschuss bspw. der BRD – zu einer Spirale ohne Ende und dauerhafter Abhängigkeit führt. Das Thema unseres Reichtums zu Lasten der „Dritten Welt“ soll hier nicht weiter thematisiert werden.
  4. Die BRD hält im Inneren schon immer Wirtschaftsflüchtlinge aus (aus strukturschwachen Regionen in Ballungszentren, vgl. die Situation in Ostdeutschland), ohne dass dieses Thema – mit allen Nachteilen für die Region, die verwaist und die Region, die aufnimmt – wirklich diskutiert wird.
  5. Die Politik fordert immer wieder die Integration von Ausländern, schafft allerdings nicht die Rahmenbedingungen, dass Asylbewerber bspw. arbeiten dürfen. Aber wenn sich ein Asylbewerber dann integriert (im Fußballverein, in der Kirche), wird ihm genau das vorgeworfen. Offene (Lehr-)Stellen könnten bei uns auch mit Menschen aus dem Senegal besetzt werden, was nicht zuletzt zur Sicherung unseres Wohlstands in Zukunft beitragen würde.
  6. Eine Neiddebatte kann man natürlich mit solchen Argumenten auch hervorragend anzetteln. Denn auch in unserem vor Überfluss strotzenden Land gibt es bitterarme Menschen, ohne Hoffnung und Zukunft. Da stellt sich mir dann aber die Frage der Verantwortung, warum das so ist. Und nicht zuletzt die CSU ist in Bayern, aber auch im Bund seit Jahrzehnten in der Regierungsverantwortung, hätte seit jeher und hat also Gelegenheit, diese Tatsachen zu ändern. Eine Erbschaftssteuerreform wird aber bspw. erfolgreich hintertrieben.
  7. Den Wunsch nach Anerkennung, einem besseren Leben, einer Zukunft kann sicherlich jeder von uns nachvollziehen – wohl gerade auch Herr Scheuer mit seinem Schmalspur-Doktortitel (vgl. Ausführungen weiter unten) kennt dieses Gefühl nur zu gut. Und da ging es nur um vermeintliche Karrierechancen, nicht um das bloße Überleben, wie bei so vielen Asylsuchenden, die das Pech hatten, nicht in Passau, sondern in einem Kriegsgebiet zur Welt gekommen zu sein. 

Zu den Reaktionen auf die Aussage:

Zu erwarten war die Empörung von Oppositionsparteien und auch von Ehrenamtlichen in Sportvereinen, Flüchtlingshelfern, Vertretern der Kirchen und Organisationen ausländischer Mitbürger.

Auch einige der Parteifreunde Scheuers haben sich geäußert und Kritik an den Aussagen laut werden lassen, so Alois Glück oder Theo Waigel. Allerdings, und jetzt heißt es genau lesen: Keiner dieser CSU-Politiker hat den Inhalt der Aussage kritisiert. So äußerte Waigel: „Wir müssen Obacht geben, dass wir, wenn wir konservative Wähler wollen, nicht die kirchlichen Wähler verprellen“, Glück sagte: „Die Gesamtpartei leidet immer wieder unter der Sprache einiger ihrer Akteure“ und CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt kann wie folgt zitiert werden, Scheuer habe darauf hinweisen wollen, dass Menschen aus sicheren Herkunftsstaaten nach Deutschland kommen und bei Ablehnung ihres Asylantrags zurückgeschickt werden müssten. Dem stehe aber eine bis dahin geleistete Integration entgegen. (Quellen siehe oben, SZ online vom 20.09.2016).

Es bleibt also dabei: Kritik an der Sprache und der Wirkung, nicht am Inhalt. Es geht um Wählerstimmen, um die Gefahr, christlich und vereinsbezogen Engagierte abzuschrecken. Es geht nicht um Inhalte. Es geht um die Mobilisierung einer mitleidlosen Masse („Das wird man ja wohl noch sagen dürfen!“), unter gleichzeitiger (politischer) Einbindung der Ehrenamtlichen. Es geht nicht um schützenswerte Menschenleben. Es geht um Machterhalt. Dass es aus der CSU keine einzige relevante kritische Stimme zum Inhalt der Aussage gegeben hat, ist bezeichnend.

In diesem Sinne: Die Scham- und Armseligkeitsgrenze zum Machterhalt der bayerischen CSU liegt sehr niedrig, geht zu Lasten der Ärmsten (im In- und Ausland) und trotzt jedem „C“ und „S“ im Namen der Christlich Sozialen Union.

Trotz allem – und auch wenn der Herr „Doktor“ ein solches Gefühl nachweislich nicht kennt: Schämen Sie sich, Herr Scheuer, versuchen Sie es wenigstens!


Zum Weiterlesen:

  • Berichterstattung in Print- und Onlinemedien
  • Infos zum Senegal auf www.wikipedia.de
  • Infos zum Abkommen zwischen Prag und München zur Führung eines Doktortitels, der nahezu keinen wissenschaftlichen Kriterien an Promotionsverfahren entspricht: „Im Jahr 2004 wurde ihm an der Karls-Universität Prag für die unter Aufsicht von Rudolf Kučera erstellte Arbeit Die politische Kommunikation der CSU im System Bayerns der „kleine Doktorgrad“ der Philosophie verliehen. Dieser akademische Grad, der der sogenannten 2. Bologna-Stufe (Master-Ebene) zugehört, ist nicht äquivalent zu einer Promotion, berechtigt seinen Inhaber aber zur Führung des Titels PhDr. Dessen ungeachtet – und obwohl in Deutschland (außer auf dem Gebiet der Bundesländer Bayern und Berlin) verboten –stellte Scheuer seinem Namen fortan den Zusatz Dr. voran. Als Dr. Andreas Scheuer bestritt er auch den Wahlkampf zur Bundestagswahl 2005.“ Zu finden auf www.wikipedia.de

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Das Konzept der Mindfulness – achtsamer Umgang mit dem Augenblick.

Das Konzept bzw. Schlagwort der „Mindfulness“ – oft übersetzt mit Achtsamkeit – gewinnt zunehmend an Bedeutung und wird in vielfältigsten Zusammenhängen genannt. Nicht zuletzt in der Wirtschaft wird das Konzept vermehrt eingesetzt, vor allem im Rahmen meditativer Übungen. Leider findet jedoch, gerade in der Wirtschaft, oftmals ein an Missbrauch grenzender Einsatz der Methode statt, insofern diese beispielsweise als Instrument für bloße Leistungssteigerungen eingesetzt wird.
Was ist jetzt aber dieses Konzept der Mindfulness, was hat es an sich mit der Achtsamkeit auf sich? Diese Frage werde ich nachstehend beantworten und nach einer kurzen Hinführung den Versuch einer umfassenden Definition der Mindfulness liefern. Diese Definition soll bisherige Versuche zusammenführen, die meines Erachtens (gerade und auch in deutschen Übersetzungen) nicht endgültig den Begriff allumfassen und in einer griffigen Formel vereinen.

  • Ursprünge des Konzept

Das Konzept der Mindfulness entstammt entscheidend (auch der östlichen) Meditationspraxis, ursprünglich der indio-tibetischen Tradition des Buddhismus und wartet mit einer 2500-jährigen Tradition auf. Gleichzeitig werden immer wieder jedoch auch die philosophisch westlichen Einflüsse (aus unserer griechischen Tradition) genannt. Insbesondere sind für unser Verständnis die Einflüsse Edmund Husserls und seiner Phänomenologie maßgebend, wobei sich diese beispielsweise in der Betonung der Ich-Perspektive (Perspektive der Ersten Person) oder in der Untersuchung von Bewusstseinszuständen zeigen.

Das Oxford Advanced Learner´s Dictionary beschreibt den Begriff der Mindfulness nicht, setzt jedoch die Begriffe mindful und mindless gegenüber. Mindful wird dabei definiert als „giving thought and care or attention to sb/ sth“, mindless dagegen als „not thinking of sb/ sth“. Interessant dabei ist, dass die Substantivierung bei mindless gegeben ist („mindlessness“), während diese beim Adjektiv mindful fehlt. Im deutsch-englischen Wörterbuch findet sich ebenfalls nur eine Übersetzung für den Begriff mindful als „achtsam auf, eingedenk“ sowie mindless als „unbekümmert, geistlos“. Die Substantive fehlen hier in beiden Fällen.

Wenn man versucht, den Begriff der Mindfulness in die deutsche Sprache zu übersetzen, stößt man bereits auf erste Schwierigkeiten, was auch damit zusammenhängen mag, dass bereits die englische Bezeichnung eine Übersetzung aus einem anderen Sprach-, zumindest aber Kulturkreis ist. Die Herkunft des Begriffs entstammt der Pali-Sprache (die indogermanische Wurzeln aufweist); dort bedeutet das Wort sati auf Englisch „to remember“ was wiederum mit „erinnern, behalten“, aber auch mit „denken an“ übersetzt werden kann.

In Folge dessen hat sich im Deutschen die Übersetzung der Mindfulness mit „Achtsamkeit, Aufmerksamkeit“ durchgesetzt, wenngleich diese Übersetzung aus meiner Warte und wie aufzuzeigen ist, unbefriedigend erscheint. Als Hilfskonstrukt kann man diese Übersetzung gelten lassen, nicht umsonst hat sich jedoch auch im deutschen Sprachraum der Begriff der „Mindfulness“ etabliert, gerade weil hier eine Reihe von Implikationen enthalten ist, die ein einziges Wort im Deutschen (auch aus der Tradition und der Rezeption des Begriffs hauptsächlich im angelsächsischen Sprachraum) meines Erachtens nicht leisten kann. Wie der Begriff dann genauer zu fassen ist, soll die weiter unten erarbeitete Definition versuchen.

  • Charakteristika des Konzepts

Die Charakteristika nach Brown et al. (Brown et al. 2007, 212 – 214) lauten:

  1. Clarity of Awareness: Hierbei geht es um die klare Wahrnehmung der inneren und äußeren Welt, inklusive der Gefühle, Gedanken, Aktionen und der Umgebung, die je zu einem bestimmten Zeitpunkt gegeben sind.
  2. Nonconceptual, Nondiscriminatoty Awarness: Diese Wahrnehmung soll zudem vorurteilsfrei, ohne durch die Filter und Register, die wir immer schon anwenden, um uns unsere Welt zu konstruieren, stattfinden. Es geht darum, die Gefühle, Gedanken, Aktionen und die Umgebung im Moment des Auftauchens bzw. Stattfindens nicht kategorial einzuordnen oder zu bewerten, sondern erst einmal einfach zu beobachten und hinzunehmen.
  3. Flexibility of Awareness and Attention: Hierbei geht es um die Forderung im Sinne des Konzepts, Aufmerksamkeit und Erkenntnis der inneren und äußeren Welt flexibel zu gestalten. So kann die Situation als Ganze ebenso wahrgenommen werden, wie einzelne Aspekte (z.B. die Frage: „Wie geht es mir damit?“). Damit einhergehend ist die Selbstregulation, die Beobachtung eigener Gefühle und Gedanken.
  4. Empirical Stance Toward Reality: Hierbei geht es um die Wahrnehmung der uns empirisch umgebenden Realität. Wir sind durch unsere Erfahrungen geprägt und sollen diese Erfahrungen sowie die aktuell auftretenden Ereignisse, in die wir involviert sind, dann gleichzeitig auf- und wahrnehmen. Diese Haltung soll dann zu mehr Interesse und Teilhabe am Leben in Verbindung mit besserer Wahrnehmung der eigenen Gefühle führen.
  5. Present-oriented Consciousness: Das Faktum der Wahrnehmung der uns umgebenden Welt soll zudem stark auf die Gegenwart gerichtet sein. Selbst wenn wir eine je individuelle Geschichte und Sozialisation aufweisen und als Menschen über die Fähigkeit der Antizipation verfügen, existieren wir nur im jeweils gegenwärtigen Zeitpunkt, mit keinem direkten Kontakt zu Vergangenheit (Erfahrung) und Zukunft (Pläne). Die Konzentration auf den Augenblick soll dabei jedoch nicht dazu führen, in Fatalismus die Zukunft betreffend zu verfallen, vielmehr die Zukunftsgerichtetheit zu verbessern und den Blick in die Zukunft aus dem Moment heraus je zu validieren.
  6. Stability or Continuity of Attention and Awareness: Zudem, und das ist die letzte der hier aufgeführten Charakterisierungen, geht es um eine nachhaltige Anwendung der Mindfulness als Konzept. Mindfulness ist jedem Menschen inhärent eingeschrieben, es geht jedoch um das Bewusstsein dafür und die stetige Übung in der Anwendung.

Zusammenfassend kann man also sagen, dass die Charakteristika nach diesen Ausführungen in der aktuellen, gegenwärtigen Wahrnehmung der inneren und äußeren Welt bestehen. Diese Wahrnehmung soll dann zwar je gegenwärtig, sich der Tatsache der Geschichtlichkeit und Zukunft parallel jedoch bewusst sein und dabei nicht wertend oder kategorial gefiltert stattfinden.

  • Kabat-Zinn mit entscheidendem Einfluss

Als ein wichtiger Lehrer, der die Tradition der Mindfulness in die heutige Zeit übersetzt und grundlegende Werke dazu verfasst hat, ist unbedingt Jon Kabat-Zinn zu nennen. Kabat-Zinn entwickelte sein Konzept aus der klinischen Anwendung und hat vielfach mit Schmerz- und Stresspatienten gearbeitet.
In seiner Monographie „Im Alltag Ruhe finden“ geht Kabat-Zinn auf die Bedeutung des Augenblicks, des Hier und Jetzt ein und entwickelt Übungen für den Alltag, dieses Konzept umzusetzen. Er schreibt:

„Der Augenblick ist das Einzige, womit wir arbeiten können. Nur zu häufig jedoch vergessen wir, dass wir da sind, wo wir bereits sind. Augenblick für Augenblick befinden wir uns an der Wegkreuzung des Hier und Jetzt.“

Anfangs der Monographie mit dem Titel „Die Blüte des Augenblicks“ differenziert Kabat-Zinn hervorragend den Begriff der Mindfulness, der Achtsamkeit, aus, ohne diesen jedoch in einer Definition zu fassen. Kabat-Zinn betont die buddhistischen Wurzeln des Konzepts ebenso, wie die Einbettung in einen Gesamtzusammenhang, er betont die Bedeutung des Augenblicks ebenso, wie die Notwendigkeit der Übung (vor allem in der Meditation) und gleichzeitig stellt er das Konzept in den Kontext der Alltagstauglichkeit.

  • Anwendungen und Effekte des Konzepts

Auch wenn die Meditationspraxis in der buddhistischen Tradition schon tausende Jahre alt und eingeübt ist, hat sich die Übersetzung und relevante Übernahme in unseren westlichen Kulturkreis erst seit einigen Jahrzehnten entwickelt. Besonders auf den Bereich der klinischen Anwendungen hat sich das Interesse dann gerichtet bzw. wurden und werden Anwendungsmöglichkeiten untersucht.
Was dann in einen zu entwickelnden, ganzheitlichen Definitionsversuch meines Erachtens zwingend mit aufzunehmen ist, sind die Auswirkungen des Ansatzes auf individuelles sowie kollektives Wohlergehen. Ebenfalls wieder Brown et al. zeigen auf (Brown et al. 2007, 219 – 226), wie sich das Konzept der Mindfulness heute anwenden lässt (bzw. angewandt wird) und welche positiven Effekte dabei mit dieser Anwendung einhergehen.

So werden u.a. diverse klinische Studien aufgeführt, mit denen folgende positive Effekte nachgewiesen werden konnten:

Das persönliche Wohlergehen kann sich mit Einübung und Anwendung des Konzepts verbessern. Die Affektregulation kann dabei zunehmen, was zu Wohlergehen beiträgt. Es geht um das Bewusstsein aktueller (innerer) Zustände, innerer Werte und in Folge dessen ein Verhalten, das sich an diesen Werten orientiert. So konnten z.B. positive Effekte im Zuge der Burnout-Prävention festgestellt werden. Auch im Bereich der physischen Gesundheit wurden positive Effekte des Konzepts der Mindfulness festgestellt. Beispielsweise bei Schmerzpatienten konnten die Leiden durch Einübung der Konzentration auf die Atmung (als Beispiel der Meditation und der Einübung der Konzentration auf das Hier und Jetzt) festgestellt werden. Letztlich wurden in Studien sogar positive Effekte auf das Immunsystem als Ganzes konstatiert. Im Sinne der Einübung der bereits erwähnten Meta-Ebene in Bezug auf Kognition und Affekte trägt Mindfulness zu Verbesserungen der eigenen Reaktionen, des eigenen Verhaltens bei. Indem man sich seine Werte, Ziele, Wünsche, usw. bewusst macht und versucht, jede Situation vorurteilsfrei und nicht schon im Sinne der jeweiligen Sozialisierung gefiltert wahrzunehmen, kann man sich von eingeübten, tradierten Verhaltensmustern lösen und über Selbstregulierung zur Selbstkontrolle gelangen.

Über die positiven Effekte der Mindfulness kann jeder Mensch zudem zu effizienterer Zukunftsplanung gelangen. Die Ziele und Wünsche, die man sich bewusst macht, sind automatisch auch mit zukunftsgerichtet und helfen, Kommendes in einem das eigene Leben verbessernden Sinne zu antizipieren. Nicht zuletzt trägt das Konzept der Mindfulness auch zu stabileren Beziehungen bei. Diese Beziehungen können romantischer Art sein (also die Beziehung zum Lebenspartner), es sind jedoch auch positive Effekte im Rahmen gruppendynamischer Prozesse feststellbar.

  • Zusammenfassung wichtiger Begriffe und Charakteristika

Um also das bisher Erarbeitete zusammenzufassen und zu einem umfassenden Definitionsversuch des Konzepts der Mindfulness überzuleiten, scheinen folgende Aspekte maßgeblich zu sein:
Es geht stets um das Einüben und die Einnahme einer Meta-Perspektive. Dabei steht der Augenblick im Vordergrund, wobei man versuchen soll, diesen – in Bezug auf die innere, aber auch auf die äußere Welt – vorurteilsfrei wahrzunehmen. Indem man sich seiner Gefühle, Gedanken, Wünsche und Ziele (zeitliche Aspekte der Herkunft und Sozialisation sowie der antizipierten Zukunft) bewusst ist, kann man im Sinne selbstregulierender Kräfte Situationen übergeordnet wahrnehmen und auf diese ggf. in sukzessive zu verändernden Verhaltensweisen reagieren. Dabei stehen positive Auswirkungen auf das Individuum (physisch und psychisch) sowie Verbesserungen der sozialen Beziehungen im Vordergrund.

  • Versuch einer allumfassenden Neudefinition des Begriffs

Somit schlage ich für die Erfassung des ganzheitlichen Ansatzes des Konzepts der Mindfulness, der sich in den aufgezeigt vielfältigen Dimensionen zeigt, folgende Definition vor:

Mindfulness ist ein Konzept in östlicher Tradition des Buddhismus sowie westlicher philosophischer Einflüsse stehende Weise objektivierter, vorurteilsfreier und nicht schon kategorial gefilterter Wahrnehmung und Achtsamkeit des je aktuellen Augenblicks, der inneren (Bewusstsein, Gedanken und Gefühle) und äußeren (Situation, Erscheinungen) Welt in einem Gesamtzusammenhang, wobei ein wichtiger Weg der Einübung dessen die Meditation darstellt und als konsequent eingeübte und angewandte Praxis zur Entwicklung eines bestmöglichen Lebens bezogen auf die Innenwelt (Affekte und Kognition), die eigenen Ziele sowie zu positiven Auswirkungen auf die Gesundheit von Körper und Geist und im Rahmen sozialer Beziehungen beiträgt.

Es geht um Selbstverständnis aus subjektiver Erfahrung, individuellem Verhalten und unmittelbarer Umwelt, im Bewusstsein je eigener Entwicklung und Sozialisation, zudem um die Einnahme einer Meta-Ebene und der damit einhergehenden Persönlichkeitsentwicklung, in deren Zuge es zu Verhaltensänderungen (wie Reduzierung von Impulsivität) kommen soll.


Zum Weiterlesen:

Bordt, Michael (2015): Die Kunst, sich selbst zu verstehen. Den Weg ins eigene Leben finden; ein philosophisches Plädoyer. München: Sandmann.

Brown, Warren Kirk et al. (2007): Mindfulness: Theoretical Foundations and Evidence for its Salutary Effects. In: Psychological Inquiry, Vol. 18, S. 211–237.

Didonna, Fabrizio (Hg.) (2008): Clinical Handbook of Mindfulness. Berlin: Springer Verlag.

Kabat-Zinn, Jon (2015): Im Alltag Ruhe finden. Meditationen für ein gelassenes Leben. Übers. von Theo Kierdorf. Erw. Taschenbuch-Neuausg. München: Knaur Taschenbuch.

Rinofner-Kreidl, Sonja (2000): Edmund Husserl. Zeitlichkeit und Intentionalität. Freiburg: Verlag K. Alber.


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